Exil in Österreich 1918–1938

Exil in Österreich 1918-1938

Veranstalter
Österreichische Gesellschaft für Exilforschung (Österreichische Gesellschaft für Exilforschung, Exilbibliothek im Literaturhaus Wien)
Ausrichter
Österreichische Gesellschaft für Exilforschung, Exilbibliothek im Literaturhaus Wien
Veranstaltungsort
Literaturhaus Wien, Sky Lounge der Universität Wien
Gefördert durch
Zukunftsfonds der Republik Österreich, Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät der Universität Wien, Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Wien
PLZ
1070
Ort
Wien
Land
Austria
Findet statt
Hybrid
Vom - Bis
29.11.2023 - 01.12.2023
Von
Katrin Sippel, Österreichische Gesellschaft für Exilforschung

Die österreichische Exilforschung befasste sich schwerpunktmäßig lange Zeit mit den Themen Vertreibung, Flucht und Exil im Zusammenhang mit Austrofaschismus und Nationalsozialismus. Die Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung (öge) will daran erinnern, dass Österreich in der Zwischenkriegszeit ein Exilland war. Über die konkreten Exilerfahrungen hinaus sollen auch die größeren historischen Zusammenhänge thematisiert und Bezüge auch in die Gegenwart hergestellt werden.

Exil in Österreich 1918-1938

In der Zwischenkriegszeit war Österreich Zufluchtsland für verfolgte Personen aus zahlreichen europäischen und vor allem osteuropäischen Ländern, unter ihnen viele Intellektuelle, Wissenschaftler:innen, Schriftsteller:innen, Journalist:innen, Künstler:innen und Politiker:innen. Zu diesem Exil, das eine vielfältige und vor allem in kultureller Hinsicht ungemein produktive Diaspora-Landschaft hervorgebracht hat, gibt es in der vorliegenden zeithistorischen Forschung nur wenige Überblicksdarstellungen, detaillierte Untersuchungen liegen nur vereinzelt vor.

Die Österreichische Gesellschaft für Exilforschung widmet ihre Tagung 2023 der Rolle und Bedeutung des Exils im Österreich der Zwischenkriegszeit, wobei über die konkreten Kontexte und Exilerfahrungen hinaus die größeren historischen Zusammenhänge, insbesondere in Bezug auf das NS-Regime, thematisiert und Bezüge auch in die Gegenwart gespannt werden sollen.

Als Erbschaft des multiethnischen Habsburgerreichs schreiben sich Flucht, Vertreibung, Exil in den Erfahrungsraum der Ersten Republik ein: Österreich ist ein Zielland etwa von russischen, polnischen und ukrainischen Personen, die vor dem russischen Bürgerkrieg nach der Oktoberrevolution flüchten, aber auch Zufluchtsort von Personen, die schon während des Weltkriegs vor Armut und antisemitischen Gewaltexzessen aus Galizien zu flüchten begannen, darunter auch viele Jüdinnen und Juden; zugleich spielt Österreich eine zentrale Rolle als Transitland für die zionistische Einwanderung aus Osteuropa in das damalige Palästina (in Wien wurde 1918 das erste Palästinaamt europaweit eröffnet).

In der Zwischenkriegszeit war Österreich Exilland von politisch Verfolgten, etwa der Münchner oder ungarischen Räterepublik. Auch im Kontext des aufkommenden Faschismus, insbesondere nach der nationalsozialistische Machtergreifung 1933, fungierte es als Zufluchtsort: Zahlreiche deutsche Wissenschaftler:innen, Künstler:innen, Intellektuelle gingen nach Wien, wo zumindest manche von ihnen in der gewohnten Sprache weiter tätig sein konnten. Auch bis 1933 in Deutschland lebende Österreicher:innen kehrten in die Heimat zurück.

Die österreichische Exilforschung fokussierte lange Zeit auf Vertreibung, Flucht und Exil im Kontext von Austrofaschismus und insbesondere Nationalsozialismus. Mit der Tagung „Exil in Österreich: 1918-1938“ soll thematisiert werden, dass Österreich in den zwei Jahrzehnten vor 1938, während zehntausende Österreicher:innen aus ihrer Heimat vertrieben wurden, selbst ein Exilland war. Mit dieser Ausweitung der historischen Perspektive wird die Tragweite von 1938 verdeutlicht, aber auch rekontextualisiert. Der Wandel von einem Exilland (im Kontext des Austrofaschismus allerdings bereits von erheblich marginalisierter Bedeutung) zu einem Land der Vertreibung manifestiert sich als eine dramatische Zäsur in der Biografie vieler derjenigen, die im Österreich der Zwischenkriegszeit Zuflucht gefunden hatten und nun neuerlich zu Flucht und in ein neues Exil gezwungen werden. Diese mehrfache Erfahrung von Flucht und Exil sichtbar zu machen, ist eines der Ziele der Tagung.

Auch nach Bezügen zur Gegenwart soll im Rahmen der Tagung gefragt werden. Mehrere Themen können aufgegriffen werden: Dazu zählt etwa die Frage der Diaspora-Bildung. Das Exil der Zwischenkriegszeit konstituiert sich als sprachlich vielfältige Landschaft politischer und literarischer Diasporas, die, wie etwa Forschungen zu jiddisch- und ungarischsprachigen Autor:innen zeigen, wichtige Impulse zum intellektuellen, literarischen und künstlerischen Leben insbesondere Wiens beisteuerten. Die Bezüge zur Gegenwart betreffen etwa die Frage nach der Rolle gegenwärtiger Exilgemeinschaften im politischen, kulturellen und intellektuellen Leben der Stadt.

Programm

29. November 2023 Literaturhaus Wien, 7, Zieglergasse 26a

19.00 ERÖFFNUNG

- Begrüßung & Grußworte
Veronika Zwerger, Leiterin der Österreichischen Exilbibliothek im Literaturhaus
Gabriele Anderl, Vizepräsidentin der öge
S.E. Vito Cecere, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Wien

Festvortrag
- Wien als Brücke zwischen der Ukraine und dem Abgrund: zur Geschichte der ukrainischen politischen Emigration in Österreich
Tanja Maljartschuk, Schriftstellerin

- Gespräch
Tanja Maljartschuk
Ana Mijic, Soziologin
Ursula Seeber, Germanistin
Moderation: Christoph Reinprecht

30. November 2023 · Sky Lounge der Universität Wien, 9, Oskar-Morgenstern-Platz 1

10.00 Eröffnung

10.15 EXILANT:INNEN AUS DER BUKOWINA

- Die „Maawirim“ ? Übersiedeln nach Palästina: Wien – Triest – Jerusalem 1918/20
Dieter Hecht, Wien
- Flucht in die Heimat, Ankunft im Exil. Das Schicksal der deutschsprachigen Professoren der vormaligen Franz-Joseph-Universität Czernowitz
Benjamin Grilj, Wien
- Wilhelm Reich: Migration Experience and intellectual Journey, 1918–1922
Michał Narozniak, Florenz
Moderation: Mitchell G. Ash

12.15 EXIL IN DARSTELLENDER KUNST & LITERATUR

- Claire Felsenburg und Kalman Segal: Kinder als Displaced Persons vor dem Ersten Weltkrieg und danach in Österreich in literarischen Zeugnissen
Konstantin Kaiser, Wien
- Kleinkunstbühnen als Orte des Exils: Hedwig Schlichters Theaterschaffen
Christina Wieder, Wien
Moderation: Peter Roessler

15.15 EXILE OF ARTISTS AND WRITERS

- Wien liegt doch näher als Paris! Vienna as lieu de mémoire of German-Prague Literary Diaspora in Red Vienna: Richard A. Bermann, Egon Erwin Kisch, Leo Perutz and Franz Werfel
Anat Varon, Be’er-Sheva (kriegsbedingte Absage!)
- Malva Schalek: Prague – Vienna – Prague – Terezín – Auschwitz
Pnina Rosenberg, Haifa
- „Vor dem Krieg war er geflohen – in den Krieg“: Gerschon Schoffmanns hebräisches Schreiben in Wien
Natasha Gordinsky, Haifa
Moderation: Katharina Prager

17.00 EXILANT:INNEN AUS DEUTSCHLAND

- Das deutsche Exil in Österreich, 1933–1938
Elke Seefried, München, online
- Zuflucht von kurzer Dauer: Zwei Pressefotografen im Wien der Zwischenkriegszeit
Elisabeth Czerniak, Wien
- Wolfgang Glaesser – privilegierter Exilant in Österreich und der Schweiz
Heiner Stahl, Siegen
Moderation: Kerstin von Lingen

1. Dezember 2023 · Sky Lounge der Universität Wien, 9, Oskar-Morgenstern-Platz 1

9.30 POLITISCHES EXIL

- Ungarisches sozialdemokratisches Exil in Österreich
Karoly Kokai, Wien
- Kämpfer der Ukrainischen und der Westukrainischen Volksrepubliken in der Wiener Emigration der 1920er Jahre
Olga Radchenko, Frankfurt/Oder
- Exil oder Heimkehr? Deutsch-ungarische Übersetzer:innen in Österreich
Izabella Nyári, Wien
- No Exile on Ring Street: Kommunist:innen und Österreich zwischen 1933 und 1938, am Beispiel von Bronja und Leo Katz
Berthold Molden, Wien
Moderation: Linda Erker

11.30 Abschluss

12.00 Exkursion zu Orten des Exils in Wien, 1918 bis 1938

Kontakt

k.sippel@exilforschung.ac.at

https://exilforschung.ac.at/